Der Jahreszeitengarten · Gärtnern

Kleine Apfelkunde

Kürzlich verbrachten wir eine Urlaubswoche auf dem Land. Beim Wandern kamen wir an zahlreichen Streuobstwiesen vorbei, die uns immer wieder aufs Neue mit ihrer Vielfalt an verschiedensten Obstsorten begeistern. Während sie in den Vorjahren von den meisten Menschen unbeachtet blieben, wurde in diesem Jahr fleißig gepflückt und gesammelt. Auch wir konnten es nicht lassen und verfielen in ein regelrechtes Apfel-Sammel-Fieber. Dicke, raue, rote, grüne, glänzende, weiße, glatte, kleine Früchte. Süß, saftig, sauer, mehlig, süß-sauer, nussig, aromatisch. Kisten voller Früchte haben wir mit nach Hause genommen. In unserem Auto duftete es köstlich, jede Sorte mit der ihr eigenen Note. Aber, was wächst und schmeckt denn da? Und wenn ich „meine Apfelsorte“ in den Garten gepflanzt habe, bekomme ich die gewünschte Ernte? Hier ein paar Infos über die Frucht der Versuchung.

Um Missverständnissen vorzubeugen – ich bin kein Apfelkundler. Ich kenne namentlich überwiegend auch nur die Sorten, die es im Handel zu kaufen gibt. Aber, ich finde spannend, was auf Streuobstwiesen wächst, was wir in unseren Gärten haben, worin es sich unterscheidet und was aus dem Obsterwerbsanbau letztendlich auf unserem Teller landet. So habe ich mich mit der Geschichte des Apfels beschäftigt.

Noch bis zur Jahrhundertwende waren Streuobstwiesen ein typisches Landschaftselement. Bis zu 1.000 verschiedene Apfelsorten wuchsen auf Wiesen, entlang der Straßen, bildeten Alleen oder prägten als stattliche Hausbäume das Bild eines Hauses oder Hofes. Die hochstämmigen Bäume standen symbolisch für den Schutz eines Hauses und boten zahlreichen Tierarten Unterschlupf und Lebensraum. Ihr frisches Obst stand der Bevölkerung zur Versorgung zur Verfügung. Es wurde frisch gegessen, gekocht, kandiert, getrocknet oder eingelegt.

In den 50er Jahren entstand eine andere Zuchtform, der Halbstamm oder Niederstamm. Dieser war für die kleiner werdenden Gärten wegen des geringeren Platzbedarfs und der bequemen Höhe praktisch. Er war leichter zu beernten und zu pflegen und diente der Wirtschaftlichkeit im Plantagenobstanbau. Die hochstämmigen Obstbäume verloren zunehmend an Bedeutung.

Äpfel aus dem Erwerbsanbau – hier ein Bild aus Südtirol

Auf die Größe eines Obstbaums hat der Züchter einen deutlichen Einfluss. Die Vermehrung unserer Obstsorten erfolgt nämlich selten durch Samen, sondern durch Veredelung. Kleine Reiser, Triebe oder Knospen (Augen) werden auf Wurzelunterlagen aufgepropft, welche die Größe, Standfestigkeit, die Gesundheit, Ernte, Lebendsdauer des Baumes und den Abstand zueinander beeinflussen. Soll ein Baum auf einer Streuobstwiese stehen, muss die Unterlage starkwüchsig sein, damit sich der Baum widerstandsfähig gegen Wetterbedingungen zeigt, sich aber auch gegen Konkurrenz anderer Pflanzen, auch der Grasnarbe, durchsetzen kann. So ein stattlicher, knorriger Obstbaum kann sehr alt werden und benötigt eine Menge Platz. In unserem Siedlungsgarten stand eine große Kirsche, die um 1953 gepflanzt wurde. Bevor sie 2019 einem Sturm zum Opfer fiel, hatte sie eine Höhe von rund 15 Meter und einen enormen Umfang. Allein die Wurzel unserer Kirsche wog 860 Kilogramm und hinterließ einen ordentlichen Krater – dies nur zur Verdeutlichung der Wuchsunterschiede. Obstbäume im Hausgarten werden in der Regel als Halbstamm auf mittelstarken Unterlagen gezogen oder als Spindelbusch auf schwach wachsenden Unterlagen. Diese heißen zum Beispiel „M9 oder M26“ und sind auf dem Sortenetikett zu finden. Diese kleinen Exemplare haben nur eine begrenzte Lebensdauer. Der Pflanzabstand liegt je nach Unterlage nur bei 2,5-5 Metern.

Heute, im immer stärker werdenden Umweltbewusstsein, in Zeiten des Klimawandels und des Artenrückgangs, gewinnen Streuobstwiesen wieder an Wert. Viele Umweltverbände und Bürgerinitiativen setzen sich für den Erhalt alter Flächen als Teil unserer Kulturlandschaft ein, pflanzen nach oder legen neue Obstwiesen an. Das Augenmerk liegt auf den Beobachtungen der vergangenen Jahre, klimaangepasste Sorten für Neuanpflanzungen vorzuziehen. Aber auch die Nachfrage nach alten Obstbaumsorten steigt, allein schon um das Kulturerbe zu erhalten und zu bewahren. Bürger übernehmen Patenschaften, pflanzen ihren Baum, sei es aus ökologischem Interesse oder als Geschenk zu einem besonderen Anlass.

Auch hier, im dicht besiedelten NRW, entstehen zahlreiche Bürgerinitiativen rund um Baumpatenschaften. Richtig und wichtig ist ihr Engagement. Ganz klasse, wenn ihnen Fachleute zur Seite stehen, die Baumarten und Sorten an die richtigen Standorte vermitteln. Noch besser, wenn klimaerprobte Bäume an richtigen Standorten ein neues Zuhause finden. Schade ist jedoch, wenn Obstbäume als Klimabäume in Patenschaften gegeben werden und niemand deren Sortennamen kennt und somit auch kein Befruchter bekannt ist. Das gilt auch für Bäume, die in Supermärkten verkauft werden. Denn „das ist ein Apfel“ und „das ist eine Birne“, reicht zur Befruchtung leider nicht aus. Der Apfel (wie die meisten anderen Obstarten auch) ist ein Fremdbefruchter und ist auf die Bestäubung anderer Sorten angewiesen.

Um Frust und Demotivation bei ausbleibender Apfelernte zu vermeiden, habe ich eine Liste verfasst, aus der ihr die Befruchter entnehmen könnt. Meine Notizen stammen aus einer Weiterbildung, die ich im Jahr 2008 beim Verband für Haus- und Wohneigentum gemacht habe. D. h. dass Sorten, die nach 2008 gezüchtet wurden, nicht darin enthalten sind. Wenn ihr euch darüber hinaus mit der Sortenvielfalt, alten historischen Sorten beschäftigen möchtet, findet ihr nachstehend den Link zum BUND Lemgo, der eine Datenbank zu alten Obstsorten angelegt hat. Diese ist unter http://www.bund-lemgo.de/obstsortenlisten.html abrufbar.

Falls ihr in eurem Garten eine unbekannte Apfelsorte habt, findet ihr Hilfe in den Pomologen-Vereinen, die in vielen Bundesländern ansässig sind. Pomologie ist die Lehre der Arten und Sorten von Obst sowie deren Bestimmung und systematische Einteilung. Pomologen sind in der Lage, den Sortennamen eures unbekannten Apfels herauszufinden, siehe http://www.pomologen-verein.de.

Hinweis zur nachstehenden Liste, ein Beispiel: Euer Lieblingsapfelbaum ist ein Elstar. Um Früchte ernten zu können, sollten in Reichweite bis 300 Meter (genügt also in der Nachbarschaft) folgende Apfelsorten wachsen: Golden Delicious, James Grieve, Jonathan oder Gloster. Bienen und andere bestäubungsfähige Insekten schaffen es, innerhalb dieser Reichweite die Bestäubung zu übernehmen. Relevant für eine gute Befruchtung ist das Wetter, die Situation bzw. Anzahl der Insekten und dass andere Apfelbäume, das können auch Zieräpfel sein, zur selben Zeit blühen.

Nun noch ein leckeres Apfelkuchenrezept zum Nachbacken:

Teig:

250 gr. Mehl

1/2 Teel. Backpulver

125 gr. Zucker

1 Essl. Vanillinzucker

1 Ei

1 Essl. Milch

125 gr. Butter

Aus den genannten Zutaten einen Mürbeteig kneten und für etwa 15 Minuten in den Kühlschrank stellen (oder nach draußen, ins Kühle).

Inzwischen den Backofen auf 200 Grad vorheizen. Zwei Drittel des Mürbeteiges auf dem gut eingefetteten Boden einer 26er Springform ausrollen und dann 15 Minuten vorbacken. Danach etwas auskühlen lassen. Den Rest des Teiges zu „Würstchen“ formen und als Rand an den Boden ansetzen und andrücken.

Belag:

1 Kilogramm Äpfel (ich nehme gerne Boskoop)

50 gr. Butter

50 gr. Zucker

100 gr. Rosinen

Die Äpfel schälen und in Stücke schneiden, dann die Butter in einem Topf zerlassen und die Äpfel, die gewaschenen Rosinen und den Zucker 10 Minuten darin dünsten. Die Apfelmasse auf dem Mürbeteigboden verteilen.

Mandelhaube:

100 gr. Butter

100 gr. Zucker

70 gr. Mandelblättchen

1 gehäufter Essl. Honig

1 Essl. Milch

Die Butter im Topf leicht anbräunen, den Zucker, die Mandeln und die Milch unter Rühren zufügen und kurz aufkochen. Diese Masse auf die Äpfel geben und verteilen.

Den Kuchen bei 200°C auf der zweiten Schiene von unten 45-50 Minuten backen. Sollte er zu dunkel werden, besser mit etwas Alufolie abdecken und zu Ende backen.

5 Kommentare zu „Kleine Apfelkunde

  1. Hallo Carmen,
    deine Apfelfotos machen richtig Appetit! Vor vielen Jahren gab es bei uns um die Ecke einen kleinen Obstladen, betrieben von zwei (für mich damals) alten Damen. Sie hatten eine Vielfalt an Apfelsorten im Angebot, eine leckerer als die andere, und ich habe jede Woche einen großen Korb voll gekauft. Eine solche Vielfalt habe ich nachher nie wieder gesehen! Das Angebot im Supermarkt ist dagegen bescheiden, zumal die meiste Zeit importierte Äpfel angeboten werden, die über Tausende Kilometer transportiert wurden.
    Du hast mir Lust gemacht, mich für das nächste Jahr nach einer Streuobstwiese in der Nähe umzuhören, vielleicht gibt es ja so etwas auch bei uns? Vielen Dank für den interessanten Artikel,
    liebe Grüße,
    Susanna

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    1. Liebe Susanna,
      vielen Dank für deine Rückmeldung.
      Ich habe mal den Kreislehrgarten in Burgsteinfurt besucht und dort eine sehr gute Auswahl an verschiedensten Apfelsorten gefunden, die man dort sowohl am Baum sehen, als auch im Hofladen erwerben kann.
      Interessant ist auch, dass es ein Verzeichnis von Steuobstwiesen gibt. Für NRW findest du es unter
      https://www.streuobstwiesen-nrw.de
      Ich wünsche dir viel Erfolg bei deiner Suche und grüße dich ganz herzlich,
      Carmen

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  2. Hallo Carmen,
    ich kaufe meine Bäume grundsätzlich in der Baumschule. Im anderen Handel bekomme ich nicht die Qualität und Auswahl. Da sind die Veredelungsstellen schon mal im Akkord zusammen gesetzt worden, und so sehen sie dann auch aus. Auf den Etiketten steht oft keine Info hinsichtlich der Unterlage, da kann man böse Überraschungen erleben. Es dauert ja auch einige Jahre länger bis ein Hochstamm Früchte trägt. Dafür lebt er ja auch länger. Wer nicht viel Platz hat, kann es ja auch mit Spalierobst versuchen.

    liebe Grüß

    Annette

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    1. Hallo Annette,
      nicht umsonst machen Gärtner eine dreijährige Ausbildung, die sich dazu noch in verschiedene Schwerpunkte, z.B. Baumschule, Stauden, Gemüse etc. gliedert. Ich unterstütze auch lieber die Fachbetriebe und lasse mich gerne beraten und inspirieren. Liebe Grüße und immer eine gute Ernte wünscht dir Carmen

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