Er ist wieder da, der gemeine Fugenbewohner. Mit den ersten steigenden Temperaturen regt sich Leben in den tot geglaubten Wurzeln. Eher gehasst als geliebt, was ihm schnurz ist, bevölkert er wieder fast jede Ritze. Ein paar Sonnenstrahlen, gepaart mit einem Regenguss, und der Gärtner kann fast zusehen wie er wächst.
Viele Pflanzenfamilien schicken ihre Abkömmlinge aus; sie kommen von unten oder fliegen von oben und setzen sich fest oder sitzen seit dem letzten Jahr erwartungsvoll im Spalt. Ganz bescheidene Kandidaten, die quasi mit fast nichts auskommen. Ob nun die Sonne brennt oder sie ein Schattendasein fristen, ihr Nahrungsangebot ist sehr spärlich. Aber sie sind mit dem Wenigen zufrieden. Ihr enormer Überlebenswille hilft ihnen, den täglichen Kampf selbstbewusst zu meistern. Selbst Angriffe durch Autoreifen, Schuhsohlen oder Schubkarren machen ihnen nichts aus. Am nächsten Tag schauen sie dir wieder stolz triumphierend mit ausgefalteten Blättern entgegen. Einige (Beispiel: Wegeriche) nutzen das Plattdrücken sogar zur Vermehrung. Ihre klebrigen Samen heften sich an die Objekte und werden weitergetragen.

Nun gibt es viele Möglichkeiten, sich der unästhetischen (?) Anblicke zu entledigen. Ganze Wirtschaftszweige leben davon. Am einfachsten ist es angeblich, Herbizide zu spritzen. Vorsicht vor Menschen mit gelben Druckpumpen auf dem Rücken. Das Gift tötet die zarten Pflanzen, sie werden braun und stehen nun in dieser Farbe in den Fugen. Ist das schöner? Viel schlimmer ist, dass die gespritzte Brühe in unser Grundwasser sickert und schon kleinste Mengen in unserem Trinkwasser können Genveränderungen verursachen. BITTE FINGER WEG !
Den Vernichtungsideen sind keine Grenzen gesetzt. Auf die Knie und mit der Wurzelbürste scheuern, mit dem Messer auskratzen oder etwas rückenfreundlicher sind Kratzer mit Stiel. Essig, heißes Salzwasser – was kann nicht alles geschüttet werden. Kleine Erdbewohner haben keine Chance.
Feuer frei! Gasbrenner mit einer Stichflamme befriedigen durchaus den sadistischen Trieb, allerdings sind schon etliche Hecken, Stauden, Sträucher nur durch die große Hitze vernichtet worden. Es sollen schon ganze Eigenheime dran geglaubt haben. Auch diese Möglichkeit ist nicht von langer Dauer. SIE sind stärker, lassen sich nicht kleinkriegen.

Hochdruckreiniger möchte ich nicht vergessen. Wie wunderbar sauber sieht es nach der Bearbeitung mit dem harten Strahl dieses Wassersprühers aus. Die Flächen scheinen frisch gepflastert zu sein, sind allerdings nun so rau, dass Schmutz und neue Sämlinge ein noch leichteres Spiel haben. Die Fugen …sollten neu verfugt werden. Aber das ästhetische Auge hat im Moment Ruhe, Ordnung ist eingekehrt. Ist der Nachbar gerade in der Nähe? So sollte er es neidisch bewundern. Auch ich habe diese Art der Fugenbearbeitung hinter mir. Der Benutzer des Geräts ist danach nicht wiederzuerkennen. Klatschnass und voller Erdbrocken muss er sich wohl auf dem Hof komplett entkleiden.
Freunde des Steingartens kennen auch das elende Spiel mit den unerwünschten Fugenbewohnern. Ich hörte, dass auch da gerne mit Herbiziden gearbeitet wird, da es eher mühsam ist, sich der einzelnen Wurzeln zu widmen. Schließlich will man es ja durch das Kiesbett vereinfachen. Um den gewünschten Farbton des Gesteins moos- und flechtenfrei und strahlend zurückzugewinnen, kommt auch ein Chlorreiniger infrage. Welch grauseliger Gedanke.
Was denn nun wirklich tun? Ein Patentrezept gibt es wohl nicht. Auch ich lasse meine Pflasterflächen nicht zuwuchern. Ich habe mich etwas intensiver umgeschaut und vom Alant (eine sehr große bis zu 2 m hoch wachsende Pflanze– nicht in den Fugen), Vergissmeinnicht, Löwenzahn, Akelei, Nachtkerze, Stockrose, Fenchel, Veilchen, selbst kleine Zwiebelpflanzen – ist eigentlich alles da. Ich könnte unendlich aufzählen. Nun wähle ich aus, wer bleiben darf. Nur die Schönsten, die haben es häufig einfacher, dürfen überleben. Die anderen, die teilweise im Beet oder auch am Wegesrand zu finden sind, werden mit einem Messer ausgestochen. Seitdem ich diese kleinen unerschütterlichen „Wesen“ genauer betrachte, habe ich eine andere Beziehung bekommen. Das spanische Gänseblümchen liebe ich sehr und rühre es nicht an. Ich steche so aus, dass es durchaus gepflegt aussieht und über die verbliebenen Pflänzchen freue ich mich, achte und bewundere sie.

Die Hartnäckigkeit siegt!
Liebe Birgit,
ich finde Deine Ansprache FÜR die kleinen Fugenbewohner wunderbar und erkenne meine Weise mit ihnen umzugehen darin wieder. Einige von diesen unglaublich standhaften Wesen habe ich in den letzten Wochen einfach an Bodenfleckchen versetzt, wo sie mich in meinem Schrebergarten erfreuen. Mehrere Gänseblümchen und auch zwei Rotkleepflänzchen sind auf diesem Weg als Randbepflanzung am zukünftigen Gemüsebeet gelandet. Und alles außer Ausstechen mit maximaler Entsorgung in die Biotonne, findet nicht statt. Und obwohl es ja im Schrebergarten eh verboten ist, irgendwelche Gifte einzusetzen, sehe ich leider bei vielen “ Mitgärtnern“, wie schnell die Mittelchen zur Hand genommen werden. ………ich habe es aufgegeben, darüber zu diskutieren. Ich kann die Welt nicht ändern…aber auf meinen 300 qm² hab ich in der Hand. In diesem Sinne liebe Grüße Dorothee
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Liebe Dorothee, vielleicht erreiche ich mit meinem Artikel, dass den „Fugenbewohnern“ mehr Achtsamkeit gezeugt wird. Ich finde es absolut klasse, wie du damit umgehst. Auch meine ausgestochenen Kandidaten landen auf dem Kompost. Es ist auch eine wunderbare Idee, sie als Randbepflanzung einzusetzen. Vielleicht können wir die Welt doch ein bisschen verändern, jeder noch so kleinste Anstoß zählt. Viel Freude in deinem Gartenreich!
Liebe Grüße, Birgit
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