Gärtnern

Gärtnern im Kleingärtnerverein

Ich liebe Kleingartenanlagen! Wenn ich irgendwo eine entdecke, muss ich sie besuchen. In meiner persönlichen Wahrnehmung sind Kleingärten eine gelungene Mischung aus Offener Gartenpforte und Chelsea Flower-Show. Während ich an den einzelnen Parzellen entlang schlendere, schaue ich mir ihre Gestaltung und ihre Besitzer an und freue mich über ein Schwätzchen. Gärtner*innen sind freundliche Menschen und fachsimpeln gerne über Bodenaufbereitung, Kompostierung, Gestaltung, Obstbaumschnitt, Saatgut, Pflanzenschutz oder Vermehrung. Außerdem sind sie zumeist großzügig und so wandern Zucchini, Salatköpfe oder Samen über den Gartenzaun. Ihre Gärten sind so individuell wie sie selbst. Von ordentlich gestalteten Beeten, beinahe wie mit Lineal und Zirkel geführt, bis hin zu einem bunten Durcheinander, wild und ökologisch, ist alles dabei. Spießig? Nein – überhaupt nicht! Innerhalb eines im Bundeskleingartengesetz geregelten Rahmens ist Individualität erlaubt und gewünscht.

Der Ursprung der deutschen Kleingartengründungen lag in den sozialen Veränderungen, die mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert einhergingen. Viele Menschen gaben ihr landwirtschaftlich geprägtes Leben auf und zogen in immer größer werdende Städte. Ihr Geld verdienten sie häufig in Fabriken. Ihre Lebensverhältnisse waren jedoch oft miserabel. Sie litten an Mangel- und Unterernährung, zudem führten schlechte Wohnverhältnisse zu psychischen und physischen Beeinträchtigungen. Um dem entgegen zu wirken, entstand der erste Kleingarten (Armengarten) 1814 in Kappeln an der Schlei, später entstanden andere in Frankfurt/Main, Dresden und Berlin. In ihnen wurde der Ausgleich zum täglichen Umfeld gesehen. Bewegung, frische Luft und gute Ernährung sollten die Grundlagen für körperliche und geistige Gesundheit sein. Die eigene Ernte sollte die Selbstversorgung sichern und das Einkommen aufbessern.

Heute gibt es in Deutschland über 900.000 Kleingärten auf insgesamt 40.000 Hektar Fläche in über 13.000 Vereinen. Etwa fünf Millionen Menschen nutzen einen solchen Garten. Der Bedarf und das Interesse an der Bewirtschaftung einer eigenen Scholle ist größer denn je, in vielen Vereinen gibt es lange Wartelisten.

Kleingärten haben zahlreiche Funktionen. Sie sind Orte der Erholung, der Aktivität, der Begegnung, des Austausches und des Engagements. Sie sind Spiel- und Lernort. Sie ermöglichen Wachstum, nicht nur der Pflanze, sondern auch der eigenen Kompetenzen und Interessen. Sie sind Orte sozialer, kultureller und ökologischer Vielfalt. Sie ermöglichen einen aktiven Beitrag zur Ernährung und Gesundheit, zur Biodiversität, zur Verbesserung des Stadtklimas und zur Nachhaltigkeit. Der Erhalt unserer Kleingärten, die Begrünung von Flächen sowie die Anlage von Gemeinschaftsgärten im urbanen Raum ist heute mehr als jemals zuvor ein zentraler Faktor für den Erhalt der Artenvielfalt sowie für umweltgerechte Städte. Gerade wir Gärtner leisten heute durch eine vielseitige Gartengestaltung einen fulminanten Beitrag zum Artenschutz für unterschiedlichste Pflanzen und Tiere.

Auch im Rahmen der Migration spielen Kleingärten eine wichtige Rolle. Das Wissen und der Austausch verschiedenster Kulturen über unterschiedliche Anbaumethoden, Ernte und Verarbeitung, die gemeinsame und demokratische Auseinandersetzung in der Gemeinschaft zu Themen wie Planung, Organisation und Kreativität sowie gegenseitige Hilfe und Anerkennung, kann Basis und Brücke für eine soziale Integration sein.

Die in diesem Beitrag veröffentlichten Fotos sind im Kleingärtnerverein Otto Hue in Dortmund Hörde entstanden. Dort trifft man in mehr als 50 Parzellen auf eine bunte Mischung von Menschen verschiedenster Nationalitäten. Genau so bunt sind ihre Gärten. In einigen Parzellen wird gemeinsam gegärtnert, in „unserer“ Parzelle sind u. a. Familien aus verschiedenen afrikanischen Ländern vertreten. Man sollte wissen, dass in ihrer Kultur das Gärtnern zunächst als ein Rückschritt angesehen wird. Ihr eigentliches Ziel ist, dem rauen und armen Leben auf dem Land zu entfliehen und sich den Wohlstand durch eine „saubere“ Tätigkeit zu erarbeiten.

Im gemeinsamen Tun findet ein reger Austausch statt von dem alle profitieren. Kompetenzen und Fähigkeiten werden deutlich, Verständnis und Vertrauen werden gefördert, Freundschaften entstehen und die Sprache wird beinahe nebenbei gelernt. Der Garten gibt ein Stück Sicherheit in dieser neuen Welt. Die Kinder sind von Natur aus neugierig und durch Aktivität und Erleben erwerben sie das Wissen für ökologische Zusammenhänge auf spielerische Art und Weise. Konrad Lorenz sagte einst: „Man schützt nur, was man liebt – man liebt nur was man kennt.“ Heute können Möhren, Gurken, Rote Bete und Auberginen geerntet werden. Rezepte zur Verarbeitung werden ausgetauscht.

Mein Huhn Susi und ich durften einen Tag lang die gärtnerische Gemeinschaft begleiten. Wir bedanken uns herzlich für die Einladung, den Austausch und das leckere Essen – Susi besonders für Mehlwürmer und viele Streicheleinheiten, ich für die Rote Bete to go und die Sämereien. Wir haben uns sehr wohlgefühlt.

Fotos und Bildmaterial: Melanie und Frank Hoffmann, Carmen Feldhaus

Weitere interessante, ergänzende Informationen findet ihr auf folgenden Seiten:

http://www.kleingarten-bund.de/de/bundesverband/zahlen-und-fakten/

http://www.gartenverein.de/suchmaschine

http://www.kleingarten-museum.de/de/museum/

2 Kommentare zu „Gärtnern im Kleingärtnerverein

  1. Was für ein schöner Bericht, es hat Spaß gemacht ihn zu lesen und gleichzeitig habe ich noch viel Neues erfahren . Dankeschön und liebe Grüße von Karin Ring

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    1. Guten Morgen liebe Karin,
      vielen Dank für dein Kommentar. Ich freue mich, dass dir der Beitrag gefällt. Herzliche Grüße, Carmen

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